Das bereits 2013 eröffnete Insolvenzverfahren über das Vermögen der einzelnen Konzerngesellschaften der österreichischen Alpine-Gruppe hat bereits für vielfältige rechtliche Auseinandersetzungen auf verschiedenen Rechtsgebieten, ua des Bilanzrechts, Strafrechts, Kapitalmarktrechts und Insolvenzrechts gesorgt. Nun hat der österreichische OGH mit seiner Entscheidung 6 Ob 154/19v vom 23.4.2020 einen weiteren das Eigenkapitalersatzrecht betreffenden Mosaikstein hinzugefügt.
Das österreichische Eigenkapitalersatzrecht ähnelt in vielerlei Hinsicht der früheren deutschen Rechtslage (welche freilich durch das MoMiG zumindest sachrechtlich durch eine rein insolvenzrechtliche Regelung ersetzt wurde) , indem es an die Kreditgewährung des Gesellschafters in der Krise anknüpft, für diesen Zeitraum eine Rückzahlungssperre anordnet und zudem die Nachrangigkeit des Darlehensrückzahlungsanspruchs anordnet. Für die mittelbare Darlehensgewährung im Konzern enthält das österreichische Eigenkapitalersatz-Gesetz (EKEG) Sonderregelungen, die auch die mittelbare vertikale Darlehensgewährung (sh. § 8 EKEG) sowie die mittelbare horizontale Darlehensgewährung (sh. § 9 EKEG) dem Eigenkapitalersatzrecht unterwerfen. Für die letztere Fallgruppe, die insbesondere die Darlehensgewährung zwischen Schwestergesellschaften betrifft, ordnet § 9 Abs. 1 Satz 2 EKEG einen Regressanspruch der darlehensgewährenden Schwestergesellschaft zu Lasten der gemeinsamen Muttergesellschaft an, wenn erstere einer anderen Schwestergesellschaft auf Weisung der Muttergesellschaft ein Gesellschafterdarlehen gewährt.
Bislang war hoch umstritten, ob dieser Regressanspruch in analoger Anwendung auch in den Fällen der mittelbaren vertikalen Darlehensgewährung zur Anwendung gelangt. Ein Teil der Lehre sowie das erstinstanzliche Gericht in der vorliegenden Rechtssache lehnten eine solche Analogie unter Hinweis darauf ab, diese Sachverhaltskonstellation falle bereits in den direkten Anwendungsbereich der Norm nach §§ 5; 8 EKEG, so dass kein Bedarf für eine Analogie bestünde, und zudem setze der Erstattungsanspruch gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 EKEG stets das Vorliegen einer verdeckten Einlagenrückgewähr voraus, welche in den Fällen der vertikalen Darlehensgewährung jedoch nicht gegeben sei. Demgegenüber erblicken andere in § 9 Abs. 1 Satz 2 EKEG einen allgemeinen Rechtsgedanken dahingehend, dass in den Fällen der mittelbaren Darlehensgewährung derjenige die wirtschaftliche Belastung der Darlehensgewährung tragen solle, der sie auch veranlasst habe und davon profitiere, im Fall der Anweisungen durch die Muttergesellschaft somit dies. Prominente Autoren plädieren gar dafür, aus der Norm einen allgemeinen konzernrechtlichen Ausgleichsanspruch für nachteilige Weisungen zu konstruieren, auch außerhalb der Domäne des Eigenkapitalersatzrechts.
Der OGH hat die Frage nun zumindest dahingegen entschieden, dass der Regressanspruch auch bei der vertikalen Darlehensgewährung im Konzern anzuwenden ist, jedoch nicht dazu Stellung genommen, ob der Norm darüber hinaus ein allgemeiner Ausgleichsanspruch im Konzern entnommen werden kann. Die spanische Muttergesellschaft FCC der insolventen österreichischen Alpine-Zwischenholdingmuss dieser somit dann den Betrag der Darlehen erstatten, welche diese ihrer Tochtergesellschaft, der ebenfalls insolventen operativ tätigen Alpine-Enkelgesellschaft in der Krise gewährt hat, wenn die Darlehensgewährung auf Weisung erfolgte. Ob dies der Fall war, haben nun die Vorinstanzen erneut zu klären.
Aufgrund der Andeutungen des OGH, in § 9 Abs. 1 Satz 2 EKEG einen allgemeinen Rechtsgedanken zur korrekten wirtschaftlichen Zuordnung von Vermögensverschiebungen innerhalb des Konzerns zu betrachten, spricht unseres Erachtens viel dafür, die Norm auch in sonstigen Konzernsachverhalten außerhalb der Eigenkapitalersatzrechts anzuwenden. Das österreichische Recht würde sich insoweit der international vorherrschenden Rechtsentwicklung anschließen, da ein allgemeiner Nachteilsausgleichanspruch heutzutage weitgehend üblich ist (sh. § 311 dAktG sowie zum spanischen Recht die in diese Richtung deutende Entscheidung nº695/2015 des spanischen TS vom 11.12.2015).
Da das Verhältnis des § 9 Abs. 1 Satz 2 EKEG zum allgemeinen österreichischen Kapitalerhaltungsrecht jedoch weiterhin ungeklärt ist, dieses auch bei der GmbH in rechtsvergleichend ungewöhnlicher Schärfe nicht nur das Stammkapital, sondern das gesamte Vermögen der Gesellschaft schützt und verbotene Auszahlungen für nichtig erklärt, gilt so oder so, dass grenzüberschreitende Unternehmensgruppen von der österreichischen GmbH als Konzernbaustein tunlichst Abstand nehmen sollten. Dies Richtigkeit dieser Aussage wurde im vorliegenden Fall erneut unter Beweis gestellt. Hätte die spanische Muttergesellschaft die Zwischenholding etwa in der Rechtsform einer deutschen 1-Mann-GmbH geführt, sähe sie sich keinem solchen Regressanspruch ausgesetzt (sh. § 30 Abs. 1 Satz 2 dGmbHG, §311 dAKtG gilt bei dieser ja gerade nicht). Denn auch wenn man das heutige deutsche Gesellschafterdarlehensrecht wie der BGH kollisionsrechtlich insolvenzrechtlich qualifiziert, scheidet eine solche Qualifikation des § 9 Abs. 1 Satz 2 EKEG für das hier maßgebliche österreichische Insolvenzstatut unseres Erachtens aus, da dieses anders als das deutsche Recht keinerlei Bezug zu einem Insolvenzverfahren aufweist, sondern vielmehr nur auf der gesellschaftsrechtlich vermittelten Finanzierungsverantwortung des Gesellschafters und dem Eigenkapital ersetzenden Charakter aufbaut. Auch eine deliktsrechtliche Qualifikation kommt somit nicht in Frage, da die konzernrechtliche vermittelte Schädigung ein aliud im Vergleich zum Jedermanns-Schädigungsverbot des allgemeinen Deliktsrechts darstellt.
Eine Erstreckung auf einem anderen Gesellschaftsstatut unterliegende Gesellschaften scheidet somit aus und wäre aus vielerlei Gründen nicht mit den Vorgaben der Niederlassungsfreiheit vereinbar. Denn der Regressanspruch soll durch gesellschaftsrechtlich vermittelte Einflussnahme verursachte Schädigungen im konzernrechtlichen Innenverhältnis ausgleichen, und dient auch anders als der Nachrang oder die Insolvenzanfechtung nicht dem Schutz der Gläubiger der Enkelgesellschaft, sondern allenfalls derer der Zwischenholding. Die Gläubiger dieser Zwischenholding kennen jedoch deren Rechtsform und sind daher gehalten, bei Bedarf im Wege des Selbstschutzes für die Sicherung ihrer Ansprüche zu sorgen. Zudem sind Gesellschafterdarlehen bei Gesellschaften, welche dem Recht eines Mitgliedstaats der EU unterliegen, in aller Regel wegen Art. 17 Abs. 1 lit r) der Bilanz-Richtlinie aus dem Jahresabschluss ersichtlich, so dass die Gläubiger über den mit diesem Informationsmodell zur Verfügung gestellten Schutz keiner weiteren paternalistischen Schutzinstrumente über Eingriffsnormen des Staates ihres Verwaltungssitzes bedürfen.