Neue Judikate deutscher und österreichischer Gerichte zum grenzüberschreitenden Formwechsel legen es nahe, die durch den Wettbewerb der Rechtsordnungen gegebenen Rechtswahlmöglichkeiten bewusst, aktiv und vor allem zeitnah zu nutzen!

Der EuGH lies bereits vor vielen Jahren in seinen Entscheidungen Sevic, Cartesio, Vale und Polbud keinen Zweifel daran, dass der grenzüberschreitende Formwechsel für nach der Rechtsordnung eines Mitgliedstaat gegründete Gesellschaften bereits auf Grundlage der Niederlassungsfreiheit möglich ist, ohne dass es dafür des vorherigen Erlasses besonderer Vorschriften zur Regelung des Verfahrens einer solchen grenzüberschreitenden Umwandlungsmaßnahme bedürfe. Erforderlich ist danach vielmehr lediglich, dass das nationale Recht des Zuzugsstaats die Möglichkeit des Formwechsels eröffnet, sei es auch nur für rein nationale Sachverhalte.

Für diesbezüglich fortschrittliche Rechtsordnungen wie etwa die spanische, in der sogar die Möglichkeit des grenzüberschreitenden Formwechsels bereits seit vielen Jahren einfachgesetzlich vorgesehen und geregelt ist, handelt es sich dabei um eine Selbstverständlichkeit. Für andere Rechtsordnungen wie etwa die österreichische oder die deutsche, welche den Formwechsel zumindest für nationale Sachverhalte ebenfalls einfachgesetzlich kennen, bedeutete die zwingende Zulassung auch der grenzüberschreitenden Variante zwar zunächst eine bedeutende Neuerung. Allerdings haben auch die österreichischen und deutschen Gerichte schnell die Vorgaben des EuGH rezipiert (so etwa der OGH für den Hereinformwechsel einer italienischen Personengesellschaft in eine österreichische, die Oberlandesgerichte Nürnberg, Düsseldorf und das KG Berlin für den Hereinformwechsel von Kapitalgesellschaften anderer Mitgliedstaaten solche deutscher Rechtsform sowie das OLG Frankfurt am Main für den Herausformwechsel einer deutschen GmbH in die entsprechende Rechtsform italienischen Rechts).

Mangels unionsrechtlicher Harmonisierung der anwendbaren Verfahrensvorschriften hielten sich sämtliche der vorgenannten nationalen Gerichte dabei bislang an die Vorgaben des EuGH, gemäß dem Äquivalenzgrundsatz auf den grenzüberschreitende Formwechsel lediglich die Vorschriften des nationalen Rechts für innerstaatliche Formwechsel analog anzuwenden. Kritische Stimmen aus der Literatur, welche für eine selektive analoge Anwendung der strengeren Vorschriften über die grenzüberschreitende Verschmelzung oder Sitzverlegung der SE plädieren, wurden so in der Vergangenheit durchgängig und zutreffenderweise abgelehnt. Nun haben sich jedoch mit dem OLG Wien (analoge Vorschriften für die SE-Sitzverlegung) und dem OLG Saarbrücken (analoge Anwendung der bereits in Kraft getretenen, jedoch erst bis 2023 umzusetzenden und bislang auch weder in Deutschland, noch Österreich, noch Spanien umgesetzten RL 2017/1132 in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen) erstmalig auch einige Gerichte dieser strengen Auffassung angeschlossen. Diese Auffassung führt in der Praxis zu vielfältigen Erschwerungen, Verzögerungen und Mehrkosten grenzüberschreitender Formwechsel, da dann anders als bei nationalen Umwandlungen umfangreiche Publizitäts- und Berichtspflichten sowie Schutzvorschriften zu Gunsten von Gläubigern und Minderheitsgesellschaftern eingehalten werden müssen.

Abgesehen davon, dass wir im Einklang mit der herrschenden Rechtsprechung eine solche selektive Anwendung nur zu Lasten grenzüberschreitender Formwechsel vor Umsetzung der Vorgaben der RL 2017/1132 aus vielfältigen dogmatischen Gründen für unvertretbar halten, ist darauf hinzuweisen, dass die aufgrund des sogenannten Wettbewerbs der Rechtsordnungen bestehenden Möglichkeit der Rechtswahl es vor Umsetzung der RL 2017/1132 weitgehend ermöglichen, die Zuständigkeit solcher restriktiven Register- und Beschwerdegerichte zu vermeiden. Dabei bestehen nicht nur die Möglichkeit, für die betreffende Gesellschaft eine möglichst günstige Rechtsordnung irgendeines beliebigen Mitgliedstaates der EU zu wählen, sondern je nach gewähltem Recht auch innerhalb dieser Rechtsordnung den Satzungssitz an einem Ort mit einer liberalen Rechtsprechung zu bestimmen. Mit anderen Worten: Wien und das Saarland sind möglichst zu meiden, wohingegen Spanien, Berlin, Düsseldorf und Frankfurt am Main wettbewerbsfähige Satzungsstandorte bieten. Dabei gilt es insbesondere, die bestehenden Rechtswahlmöglichkeiten zeitnah zu nutzen, da diese nach Umsetzung der RL 2017/1132 stark eingeschränkt sein werden. LEXPORTATEU steht Ihnen in diesem komplexen Rechtsgebiet nicht nur mit juristischem Rat, sondern auch mit der zur erfolgreichen Durchführung einer solchen Umwandlungsmaßnahme unerlässlichen praktischen Koordination und Abstimmung der involvierten Handelsregister gerne zur Verfügung!

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