Durch das bereits zum 1.1.2021 in Kraft getretene Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanlnsFoG) wird mit dem Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG) im deutschen Recht erstmalig die gesetzliche Möglichkeit vorinsolvenzlicher Restrukturierungsmaßnahmen eröffnet. Zudem wurden Einzelvorschriften in der deutschen Insolvenzordnung in praxisrelevanten Bereichen wie unter anderem der Insolvenzantragspflicht und der Masseschmälerungshaftung angepasst. Die Neuregelung dient der Umsetzung der RICHTLINIE (EU) 2019/1023 vom 20. Juni 2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz).
Das StaRUG führt unter anderem deswegen zu einem einschneidenden Paradigmenwechsel im deutschen Recht, da es unter gewissen Voraussetzungen die Möglichkeit eröffnet, in vertraglich begründete Rechte Dritter einzugreifen, und so für außerhalb eines Insolvenzverfahrens durchgeführte Sanierungen von dem bisherigen Erfordernis der Zustimmung des betroffenen Vertragspartners oder Sicherungsgläubigers befreit. Der zeitliche Anwendungsbereich für die Anwendung der durch das StaRUG zur Verfügung gestellten Sanierungsinstrumente ist ab dem Zeitpunkt der drohenden Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 18 InsO eröffnet, wodurch es zu Überschneidungen im Anwendungsbereich beider Gesetze kommt, und dem Schuldner im Fall der drohenden Zahlungsunfähigkeit somit ein Wahlrecht zusteht, ob er den Weg eines Insolvenzverfahrens oder aber den eines Sanierungsverfahrens nach dem StaRUG einschlägt. Der Prognosezeitraum für die drohende Zahlungsunfähigkeit wurde im Zuge des SanlnsFoG auf in der Regel 24 Monate fixiert.
Anders als die RICHTLINIE (EU) 2019/1023 enthält das StaRUG auch Bestimmungen zur Regelung von Konzernsachverhalten. Aufgrund der Tatsache, dass der Konzern in der heutigen Wirtschaft eine typische und weit verbreitete Form der unternehmerischen Bestätigung darstellt, sind solche Regelungen zwar sicherlich sinnvoll und der Ansatz einer überschießenden Richtlinienumsetzung gewiss gut gemeint. Aus den folgenden Gründen stellen sich die konzernrechtlichen Regelungen jedoch als undurchdacht und nur schwerlich mit dem Systematik des europäischen acquis communautaire des Internationalen Zivilverfahrensrechts sowie zur Bestimmung des anwendbaren Rechts dar.
So ermöglicht etwa § 2 Abs. 4 StaRUG einen Eingriff in Sicherheiten, welche ein verbundenes Unternehmen der schuldnerischen Konzerngesellschaft im Sinne der §§ 15 folgende deutsches AktG zu Gunsten eines Drittgläubigers bestellt hat. Obwohl es sich bei § 2 Abs. 4 StaRUG um eine bloße Sachnorm, also gerade keine Kollisionsnorm handelt, regelt sie überschießend und systemwidrig im Sinne einer versteckten Kollisionsnorm auch das auf solche Konzernsachverhalte anwendbare Recht mit, da sie zur Definition der Unternehmensgruppe sowie zur Durchsetzung der zwangsweisen Beschränkung gruppeninterner Drittsicherheiten auch dann die Geltung deutschen Recht anordnet, wenn sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen (COMI) der die Sicherheit stellenden Konzerngesellschaft nicht in Deutschland befindet, diese nach einem anderen als deutschen Recht verfasst ist oder für die Sicherheit eine andere als die deutsche Rechtsordnung vetraglich vereinbart wurde. Dies ist jedoch unabhängig von der Frage, ob man die einzelnen Bestimmungen des StaRUG gesellschaftsrechtlich (was beispielsweise bei einem Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte anlässlich eines zwangsweise erfolgten debt to equity swap oder der Ausrichtung der Geschäftsführerpflichten außerhalb eines förmlichen Insolvenzverfahrens nahe liegt), vertraglich (was bei der Regelung der Rechte und Pflichten in einem Bürgschaftsversprechen oder einer Patronatserklärung sowie des anwendbaren Rechts aufgrund der Geltung de Rom-I-VO auf diese Fragen außer Zweifel steht) oder insolvenzrechtlich qualifiziert (dafür spricht zumindest in Bezug auf öffentlich geführte Sanierungsverfahren, dass Art. 1 lit c) EuInsVO die Einbeziehung auch solcher vorinsolvenzlicher öffentlicher Verfahren ermöglicht, sowie der kollektive Regelungscharakter der Instrumente der RICHTLINIE (EU) 2019/1023), unvertretbar und stellt einen eklatanten Verstoß gegen die Zuständigkeitsnormen der EuGVVO sowie der EuInsVO dar, da letztere auch für die als insolvenzrechtlich zu qualifizierenden Sanierungsinsintrumente keine gruppenweite Bestimmung des COMI ermöglicht, sondern dieses nach gefestigter Rechtsprechung des EuGH vielmehr für jede einzele konzernangehörige Gesellschaft separat bestimmt werden muss.
Auf Basis des § 2 Abs. 4 StaRUG durchgesetzte Eingriffe in gruppeninterne Drittsicherheiten sind daher in anderen Mitgliedstaaten nicht anerkennungsfähig nach der EuInsVO oder der EuGVVO. Vorsorglich sollte man mit diesem Einwand jedoch nicht bis zum Vollstreckungsverfahren zuwarten, sondern bereits im Planverfahren nach dem StaRUG dafür Sorge tragen, dass solche rechtwidrigen Eingriffe unterbleiben. LEXPORTATEU ist aufgrund seiner konzernrechtlichen Expertise und seiner Vertrautheit mit den unionsrechtlichen Rahmenbedingungen des internationalen Konzernrechts bestens dafür gerüstet, auch solche vom Gesetzgeber offensichtlich übersehenen Fragen proaktiv in Ihrem Sinne zu lösen, und zwar noch bevor sich in der einschlägigen Lehre eine dogmatische Lösungen dafür entwickelt hat.