Im Zuge der COVID-19-Pandemie hatten die meisten Industrienationen bereits im Frühjahr diesen Jahres im Eiltempo diverse Erleichterungen für die jeweils ihrem Recht unterstehende Unternehmen erlassen, um es diesen zu ermöglichen, die konjunkturellen Auswirkung der Pandemie abzufedern. Neben diversen steuerlichen, arbeitsrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Aspekten wurden in diesem Rahmen auch Maßnahmen im Bereich des Gesellschaftsrechts und des Insolvenzrechts gesetzt. Einige davon betrafen auch die Regelungen zum Recht der Gesellschafterdarlehen im deutschen, spanischen und österreichischen Recht, also einem Teilrechtsgebiet, welches sich an der Schnittstelle zwischen Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht befindet und je nach konkreter inhaltlicher Ausgestaltung in der jeweils anwendbaren Rechtsordnung mehr gesellschaftsrechtliche oder aber mehr insolvenzrechtliche Züge aufweist.
Da sich die COVID-19-Pandemie jedoch als weitaus hartnäckiger erweist als noch beim ursprünglichen Erlass der gesetzlichen Stützungsmaßnahmen angenommen, sahen sich die Gesetzgeber der drei vorgenannten Rechtsordnungen gezwungen, die Maßnahmen weiter wie folgt zu verlängern bzw. inhaltlich anzupassen:
- deutsche Recht: Das COVInsAG wurde durch Artikel 1 des Gesetzes vom 25. September 2020 dahingehend geändert, dass der Zeitraum, innerhalb dessen die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags ausgesetzt wurde (sogenannter Aussetzungszeitraum), vom ursprünglichen Enddatum 30.09.2020 auf den 31.12.2020 verlängert wurde. Zu beachten ist jedoch, dass ab dem 1.10.2020 nur noch eine Befreiung vom Insolvenzgrund der Überschuldung gewährt wird, bei Zahlungsunfähigkeit also wieder die normale Antragspflicht besteht. Innerhalb dieses Aussetzungszeitraums gewährte Gesellschafterdarlehen unterliegen dann nicht der Anfechtung, wenn eine Rückzahlung bis zum 30.09.2023 erfolgt. Solche Gesellschafterdarlehen unterliegen zudem nicht dem Nachrang, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zum 30.09.2023 beantragt wurde. Wie bereits in der ursprünglich Fassung des COVInsAG ist jedoch zu beachten, dass lediglich unbesicherte sowie innerhalb des Aussetzungszeitraums gewährte Neudarlehen privilegiert werden, nicht jedoch bereits vorher gewährte Altdarlehen. Daraus ergeben sich schwierige Abgrenzungsfragen gerade im Rahmen von laufenden Kreditlinien insbesondere im Rahmen des cash poolings, zusätzlich zu den bereits im Rahmen der Voraussetzungen für die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bestehenden Rechtsfragen.
- spanische Recht: das am 20.09.2020 in Kraft getretene Gesetz 3/2020 vom 18.20.2020 über prozessuale und organisatorische Maßnahmen zur Bewältigung des COVID-19 im Bereich der Justizverwaltung sieht vor, dass die bereits im RDL 16/2020 enthaltenen Regelungen in Bezug auf die Privilegierung der Gesellschafterfremdfinanzierung beibehalten werden. Danach gelten in Insolvenzverfahren, die bis einschließlich dem 14.03.2022 eröffnet werden, Forderungen aus Darlehen, Forderungen oder anderen diesen entsprechenden Rechtsgeschäften als gewöhnliche (also nicht nachrangige Forderungen), wenn diese ab dem Zeitpunkt der Ausrufung des Ausnahmezustands (14.03.2020) von einer dem Schuldner nach stehenden Person nach dem spanischen Insolvenzgesetzes (TRLC) gewährt wurden. Auch im spanischen Recht werden also nur sogenannte Neudarlehen privilegiert, und es wird mit dem 14.03.2022 ein Endzeitpunkt festgelegt, innerhalb dessen das Insolvenzverfahren eröffnet werden muss.
- österreichische Recht: § 13 des 2. COVID-19-JuBG bestimmt, dass kein eigenkapitalersetzender Kredit im Sinne des § 1 EKEG vorliegt, wenn in der Zeit zwischen seinem Inkrafttreten (15.10.2020) und dem 31.01.2021 ein unbesicherter Geldkredit für nicht mehr als 120 Tage gewährt und zugezählt wird. § 1 EKEG definiert solche Darlehen als eigenkapitalersetzend, welche ein Gesellschafter der Gesellschaft in der Krise gewährt. Da bereits die vorangehenden COVID-19-Gesetze identische Privilegierungen für ab dem 16.03.2020 gewährte Gesellschafterdarlehen enthielten, handelt es sich bei der österreichischen wie auch bei der spanischen Regelung um ein bloße Ausdehnung des zeitlich eng begrenzten Anwendungsbereichs bereits bestehender COVID-19 Gesetzgebung im Zusammenhang mit Gesellschafterdarlehen.
Die differenzierten Regelungen in den drei dargestellten Rechtsordnungen zeigen, dass diese sich von Rechtsordnung zu Rechtsordnung im Detail durchaus wesentlich unterscheiden, und es daher in jedem Einzelfall einer eingehenden Prüfung bedarf, ob die jeweils einschlägigen gesetzlichen Anforderungen erfüllt werden. Im grenzüberschreitenden Konzern führt dies zu einer komplexen Rechtslage mit der Folge, dass der durchaus wohlgemeinte Zweck der Schaffung von Rechtssicherheit bedauerlicherweise nicht einmal im Ansatz erreicht wird. Diese Komplexität wird weiter erhöht, wenn die Tochtergesellschaften ganz oder teilweise in der Rechtsform von Auslandsgesellschaften geführt werden, da dann die Abgrenzung der Anwendungsbereiche des Gesellschaftsstatuts vom Insolvenzstatut weitere Rechtsanwendungsprobleme aufwirft.
Aber auch im traditionell organisierten grenzüberschreitenden Konzern, dessen Tochtergesellschaften in der Rechtsform des Staates ihrer jeweiligen Ansässigkeit organisiert sind, kommt es aufgrund der Unterschiedlichkeit der auf die Muttergesellschaft einerseits und die Tochtergesellschaft andererseits anwendbaren Rechtsordnungen zu Friktionen. Denn da die Finanzierung im konzernweiten cash pooling nicht nur downstream, sondern auch up-stream erfolgt, folgt aus der Tatsache, dass die konzerninterne Darlehensgewährung aus Sicht des auf die Tochtergesellschaft anwendbaren Insolvenzrechts privilegiert erfolgt, noch lange nicht, dass dessen Vorstand oder Geschäftsführung bei der Darlehensgewährung an die Mutter ebenfalls pflichtgemäß handelt. Gleiches gilt für die gesellschaftsrechtlichen Pflichten der Geschäftsführung auf Ebene der Muttergesellschaft bei der Darlehensausreichung an bedrohte Tochtergesellschaften Ein detaillierte juristische Beratung aus Sicht sämtlicher betroffener Gruppengesellschaften tut also Not.
Ganz generell gehen wir davon aus, dass die zeitlichen Befristung der Privilegierungen insbesondere im deutsche Recht dazu führen werden, dass die entsprechenden Regelungen vor Ablauf erneut verlängert werden müssen, da aufgrund des globale wirtschaftlichen Abschwungs die Darlehen nicht fristgerecht werden zurückgezahlt werden können. Auch das spanische Recht fördert durch die Befristung der Privilegierung auf Insolvenzverfahren, die bis zum 14.02.2022 eröffnet werden, geradezu die Stellung von späteren Insolvenzanträgen. Sinnvoller wäre es daher aus unserer Sicht, wenn die jeweiligen Gesetzgeber zumindest den Nachrang des Gesellschafterdarlehen umfassend und dauerhaft abschaffen. Denn gerade in der jetzigen Krise zeigt sich, dass eine Fremdfinanzierung durch Banken nicht nur aufgrund stetig steigender Vergabeanforderungen immer schwieriger wird und Gesellschafterdarlehen eine stets sinnvolle da günstige und oft sogar die einzige Möglichkeit darstellen, Fremdmittel zu erlangen.